Kolumbien: Schwarz = Chancenlos?

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Tarcisio, mein Großvater erzählte gerne und die Menschen hörten ihm begeistert zu. Allzu genau, das wußte jeder, durfte man seine Geschichten nicht nehmen. Aber er konnte alles so gut ausmalen und seinen Geschichten Leben und Farbe geben. So auch immer wenn er vom "Schwarzen" erzählte. Wir Kinder hatten einen gehörigen Respekt vor diesem geheimnisvollen "Schwarzen".

Die Wahl Barak Obamas und die vielen Meinungen, was diese nun für die Afro-Amerikanischen Bürger bedeutet, erinnern mich an die Geschichten meines Großvaters und lässt mich über die Frage nachdenken, wie es um die Gleichheit zwischen den Rassen in Kolumbien bestellt ist.

Eines kann niemand behaupten, nämlich dass in Kolumbien alle gleiche Chancen hätten. Aber hat jemand keine Chancen, weil er/sie schwarzer Hautfarbe ist?

Um auf meinen Opa zurück zu kommen: Niemand weiß, wenn er mit den "Schwarzen" eigentlich meinte. Ganz sicher einen Fremden, aber fast genau so sicher keinen Afro-Kolumbianer. Zu den Zeiten, aus denen mein Großvater in seinen Geschichten berichtete, reisten die Menschen in Kolumbien wenig. In dem kleinen Dorf, aus dem mein Großvater stammte, war bis dahin noch nie ein Afro-Kolumbianer gesehen worden. Zwei Söhne meiner Großeltern, meine Onkel Cornelio und Manuel waren dunkler als es vielleicht viele Afro-Kolumbianer sind und wurden daher auch von allen "Negro", Schwarzer genannt.

Was vielleicht in Europa oder den USA als unsittlich gesehen wird, ist in Kolumbien ein Kosewort: Ehepaare nennen sich oft "mi negro, mi negra, negrito, negrita", mein Schwarzer, meine Schwarze, kleiner Schwarzer, kleine Schwarze. Meinen Onkel Cornelio nennen seine Geschwister heute immer noch "Negro".

Heute, da das Reisen die einstigen Abgrenzungen aufgehoben haben, findet man vor allen in den Städten Kolumbiens Menschen aller Rassen und viele Ehen zwischen den verschiedenen Rassen. Auch zu meiner Familie zählen dank Heirat nun auch afro-kolumbianische Mitglieder und niemand findet daran irgendetwas bemerkenswertes.

Während ich diesen Artikel schreibe, bin ich mit unserer jetzigen viActive Kolumbien-Gruppe in Nuqui, einem kleinen Dorf am kolumbianischen Pazifik, dessen Bevölkerung mehrheitlich Afro-Kolumbianisch und arm ist. Bei unserer heutigen Wanderung zum benachbarten Ort Termales, besuchten wir auch die dortige Schule. Angesichts der ärmlichen Verhältnisse, die wir vorfanden, fragen wir uns, welche Chancen die Kinder haben, die hier aufwachsen, denn sie sind arm und sie sind schwarz.

Rassismus, ob offen oder versteckt, ist in der kolumbianischen Gesellschaft gemeinhin kein Thema. Aber warum sind so viele Schwarze arm?

Ich frage Pozo, den Verwalter der Lodge El Cantil. Pozo kann gerade lesen und rechnen, aber er ist dank seiner Arbeit ein angesehener Mann in der Gegend. Pozo ist Vater dreier Töchter, die alle in Medellin leben und entweder arbeiten oder studieren. Wie alle anderen in seinem Dorf hat auch Pozo ein kleines Haus aus Holz und mit drei Räumen: Ein Wohn- Esszimmer, eine Küche und ein Schlafzimmer, die Toilette ist hinter dem Haus.

Pozos immer lächelndes Gesicht wird ernst, seiner Meinung nach haben die Kinder hier wenig Chancen mehr als nur Fischer und Hausfrauen zu werden. Den Grund sieht er aber in der Armut und der Grund dafür sei die Korruption in der Regierung des Staates Choco. Dass die Kinder schwarz sind, ist für Pozo kein Grund.

Ähnlich äußern sich die Lehrer der kleine Schule in Termales. Die Bibliothek der Schule verfügt über etwa dreißig alte Bücher. Sie sind die einzige Nachschlagewerke der Kinder und waren schon vor zehn Jahren auf einem veralteten Stand. Die zwei Lehrer müssen 54 Kinder in sechs verschiedenen Stufen unterrichten; pro Stufe kommen sie auf 2 Stunden pro Tag. Schulbänke gibt es keine, an der Wand hängt eine alte zerkratzte Schiefertafel. Kinder bringen sich Holzbretter mit um darauf zu sitzen, Lehrer kratzen ihre wenigen Pesos zusammen um Kreide zu kaufen.

Trotzdem können die Zentralregierungen in Bogota nachweisen, dass Choco der Staat ist, der die meisten Subventionen erhält. Gerade Gesundheit und Erziehung sind die höchsten Budgets. Doch in den entlegenen Orten kommt nichts an. Die Korruption ist gewaltig, da sind Pozo und die Lehrer in Termales einer Meinung. Und das Interesse an dieser entlegenen Region ist gering. In Bogota wissen wahrscheinlich genau so wenig Menschen wie in München, wo Nuqui liegt.

Pozo erzählt, dass es vor ein paar Jahren kein Militär (übernimmt in entlegenen Orten wie Nuqui die Aufgaben der Polizei) und kein Gesundheitssystem gab und der Bürgermeister kein Gehör beim Gouverneur fand. Heute ist das anders. Die Zentralregierung hat dem Gouverneur des Choco einen Kassenwart zur Seite gestellt. Ohne dessen Einwilligung darf der Gouverneur keinen Peso ausgeben und der Kassenwart bewilligt nur das, was im Entwicklungsplan steht.

Trotzdem dauert es, bis alle Stellen den Wandel begriffen haben und die Mittel zügig verwalten. Und wenn die Mittel für die Schule in Termales dann endlich mal da sind, so wird die Strukturschwäche der Gegend ein großes Problem sein um gut vorbereiteten Schülern eine berufliche Zukunft zu bieten. Sie werden, so wie Pozos Töchter, in die Städte ziehen. Ein paar werden im Tourismus eine Stelle finden.

Obwohl ich aus Egoismus hoffe, dass dieses Fleckchen Erde lange weiterhin so unberührt bleibt, denke ich, dass der Tourismus dieser Gegend eine Zukunft geben kann. Der Integration der schwarzen und indianischen Bevölkerung in Kolumbien kommt dies nur zu Gute und wenn in Kolumbien die Korruption zurückgedrängt wird, werden Arme, ob weiß, schwarz oder indianischer Abstammung auch Chancen haben, aus ihrer Situation heraus zu kommen. An ihrer Abstammung soll es nicht liegen.

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