Das Amazonasgebiet kennt viele Beschreibungen – grüne Lunge, artenreichstes Biotop, größtes Süßwasserreservoir der Erde. Doch vor allem ist es eins: die Heimat für eine Vielzahl indigener Völker. In unserem heutigen Beitrag "Nachgefragt: Indigene Völker im Amazonasgebiet" erfahrt ihr mehr über die Menschen im Amazonasgebiet und wie ihr sie schützen könnt.
Heute (am 9. August) ist Internationaler Tag der Indigenen Völker. Er soll die Beiträge von indigenen Bevölkerungsgruppen zum Erhalt des gemeinsamen Erbe der Menschheit würdigen. Indigene Völker sind Nachkommen einer Bevölkerung vor Eroberung, Kolonisation oder der Gründung eines Staates. Sie verstehen sich selbst als eigenständiges Volk mit eigenen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Institutionen. Allein in Lateinamerika gibt es mehr als 400 indigene Völker. Doch leider werden indigene Völker bis heute bedroht und ihre Lebensgrundlage zerstört. Das ist ein großer Fehler. Lieber sollten wir von ihnen lernen. Schließlich blicken Sie auf eine Jahrtausende alte, erfolgreiche Lebensstrategie zurück.
Indigene Gemeinden kämpfen seit Hunderten von Jahren um ihre Rechte. Zwar gab es bereits erste Schritte auf nationaler Ebene, doch gehören indigene Völker weiterhin zu den am stärksten ausgegrenzten Bevölkerungsteilen. Die zentrale Forderung von Menschenrechtsorganisation und Aktivisten ist die verbindliche und uneingeschränkte Anerkennung ihrer Menschenrechte, beginnend mit dem Recht auf Selbstbestimmung.
Entlang der Grenze zwischen Peru, Brasilien und Bolivien erstreckt sich das unkontaktierte Grenzland des Amazonasgebietes. Es ist die Heimat von mehr unkontaktierten Völkern als irgendwo sonst auf dem Planeten und doch gehören sie zu den gefährdetsten Menschen weltweit. Mit ihrem Schutz beschäftigt sich Survival International, die globale Bewegung für die Rechte indigener Völker. Heute spreche ich mit Linda Poppe. Sie leitet seit 2010 das Berliner Büro von Survival International.
Survival gründete sich als Reaktion auf den Genozid an indigenen Völkern in Brasilien, der Ende der 60er Jahre die internationale Öffentlichkeit erschütterte. Noch heute stellen wir uns gegen die Vertuschung von Verbrechen an indigenen Völker, gegen den Rassismus und die tödliche Gewalt, die indigene Völker erleben. Wir schaffen Präzedenzfälle, die Inspiration für den Kampf indigener Völker weltweit sind. Die Yanomami in Brasilien beispielsweise hüten und verteidigen heute eines der größten bewaldeten Schutzgebiete der Welt mitten im Amazonasgebiet. Survival half ihnen, ihre Landrechte zu sichern.
Survival setzte sich vor allem für indigene Völker ein, die in „Stammesgesellschaften“ leben. Sie sind stark von ihrem Land abhängig und beziehen zum Beispiel als Jäger und Sammler fast alles von ihrem Land, was sie für ein gutes Leben brauchen. Aufgrund der inzwischen negativen Konnotation des Wortes “Stamm” in der deutschen Sprache sprechen wir meist von „indigenen Völkern“. Wir benutzen explizit das Wort „Volk“, weil einem „Volk“ im internationalen Recht - im Gegensatz zu Einzelpersonen - zusätzliche kollektive Rechte zugestanden werden.
Unkontaktierte Völker sind die am meisten bedrohten Gesellschaften unseres Planeten. Wir wissen tatsächlich nur sehr wenig über sie. Man weiß von ihrer Existenz zum Beispiel durch Spuren, die sich im Wald finden. Wir wissen von Schilderungen später kontaktierter Indigener, dass sie ein relativ gutes Wissen darüber hatten, wer in ihrer Nähe lebt. Wenn die Nachbarn selbst ein indigenes (unkontaktiertes) Volk sind, stehen sie vielleicht sogar in friedlichem Kontakt.
Wir wenden uns gegen Versuche von Außenstehenden, sie zu kontaktieren. Eine Kontaktaufnahme muss ihre alleinige Entscheidung sein. Diejenigen, die in die Gebiete unkontaktierter Völker eindringen, verwehren ihnen die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden.
Indigene Völker sind darauf angewiesen, dass man ihre grundlegende Menschenrechte respektiert – sonst können sie nicht überleben. Dennoch wird ihnen ihr Land zum Beispiel für Plantagen, Staudämme, Straßen, Naturschutzzonen oder auch Tourismus-Projekte geraubt. Sie werden diskriminiert, angegriffen und sogar getötet. Oft sind indigene Völker Minderheiten in ihrem Land. Ihnen wird mit allen Mitteln versucht, ihr Land und ihre Ressourcen zu rauben. Sie brauchen daher die Stimme und Unterstützung von anderen Menschen, damit ihre Rechte eingehalten werden. Für unkontaktierte Völker gilt dies besonders, weil sie nicht die Möglichkeit haben selbst vor Gericht zu ziehen.
Das hängt vom Einzelfall ab, aber es gibt Situationen, in denen man von einem Völkermord sprechen muss. Die Akuntsu sind ein trauriges Beispiel. Sie sind ein kleines indigenes Volk im Amazonasgebiet mit heute nur vier Mitgliedern. Sie sind die letzten bekannten Überlebenden ihres Volkes. Man geht davon aus, dass die übrigen Akuntsu durch Gewalt von Großgrundbesitzern und die Zerstörung ihrer Heimat im Regenwald fast ausgerottet wurden. In wenigen Jahren wird es die Akuntsu nicht mehr geben. Survival kämpft dafür, dass sich solche Geschichten nicht wiederholen.
Sie haben zum Beispiel ein Recht auf ihr angestammtes Land. Es ist für sie Schule, Supermarkt, Kirche und Apotheke. Sie haben auch das Recht selbst über ihre Zukunft zu bestimmen oder ihre Kinder in ihrer Sprache groß zuziehen. Leider muss man sagen, dass ihre Rechte von Regierungen meist nicht geschützt werden. Gerade wenn die Regierungen selbst ein Interesse daran haben, die Rohstoffe indigener Gebiete zu nutzen. Aber mit genug öffentlichem Druck kann man das durchaus ändern - da setzen wir an.
Im Moment erleben wir in Brasilien einen der schlimmsten Angriffe auf indigene Völker seit mehr als zwei Generationen. Es gibt grauenvolle und brutale Attacken, welche indigene Völker im ganzen Land betreffen. Die Regierung befeuert dieses Klima der Gewalt und Ungerechtigkeit, indem sie unheilvolle Allianzen mit der Agrarlobby eingeht, die indigene Landrechte aushebeln will. Der Schutz vieler Völker im Amazonasgebiet steht auf der Kippe, weil das Budget für ihren Schutz radikal zusammengekürzt wird. Auch auf der peruanischen Seite ist die Lage sehr angespannt, weil über 70% des Amazonasgebietes dort für die Erkundung von Rohstoffen wie Öl vorgesehen sind. Hinzukommen illegale Abholzung oder Infrastrukturprojekte, die die Gebiete indigener Völker zu zerstören drohen. Gerade für unkontaktierte Völker ist dies eine große Gefahr.
Die Sierra del Divisor ist eine wunderschöne und einzigartig Region im Amazonasgebiet – seit 2015 auch Nationalpark. Aber das hält die peruanische Regierung nicht davon ab, Öl-Explorationen dort zu erlauben. Survival protestiert seit Jahren dagegen. 2017 zog sich dann schließlich ein kanadischer Ölkonzern aus dem Gebiet zurück. Die Erkundungsrechte wurden dennoch nicht von der Regierung annulliert. Für die dort lebenden indigenen Gemeinden, darunter auch einige unkontaktierte, ist dies eine große Gefahr.
Ein Nationalpark, der Erdölsuche erlaubt, ist eine Lüge. Und diese schadet sowohl dem Naturschutz als auch den indigenen Völkern in dieser Region. Auch als Reisende sollte man solch einen Park nicht besuchen.
Die unkontaktierten Mashco-Piro tauchten vor einigen Jahren vermehrt an Flussufern im Südosten Perus auf. Man geht davon aus, dass nah gelegene Rohstoff-Projekte und illegale Abholzung sie immer weiter an den Fluss getrieben haben, den sie sonst nur gelegentlich besuchten. Es kam wiederholt zu Kontakt mit Außenstehenden, darunter Missionare. Einige Touristenführer versuchten die Indigenen für Fotos anzulocken. Survival kritisiert dies entschieden, unter anderem, weil es zur Ausbreitung von fatalen Krankheiten kommen kann. Survival fordert die peruanische Regierung auf, nationales und internationales Recht zu respektieren. Die Territorien der unkontaktierten Völker im Amazonasgebiet müssen geschützt und die eigene „kein Kontakt“–Politik Perus umgesetzt werden.
Ja. Er ist sicher keine Lösung für alle Probleme. Dennoch leistet er einen wichtigen Beitrag, auf indigene Völker und ihre Rechte hinzuweisen.
Einen weiteren Beitrag können zum Beispiel Reisende leisten, indem sie keine Touren buchen, die indigene Völker als „Steinzeit-Sensation“ anpreisen. Auch Gebiete sollten vermieden werden, aus denen indigene Völker vertrieben wurden (oder werden).
Sonst ist es oft schwierig für Verbraucher*innen, genau zu wissen, wo Rechtsverletzungen drinstecken und wo nicht. Viele Unternehmen und Organisationen geben sich alle Mühe, solche Spuren zu verwischen. Um so wichtiger ist es daher, sich auch zivilgesellschaftlich zu engagieren, wenn man etwas für indigene Völker tun will. Als ersten und einfachen Schritt kann man zum Beispiel unseren Newsletter abonnieren, über den wir regelmäßig Aktionsaufrufe und Informationen verschicken. Indigene Völker brauchen keine Almosen, sondern Stimmen wie unsere.
Hat euch der Artikel über die indigenen Völker im Amazonasgebiet gefallen? Weitere Infos findet ihr auf der Seite von Survival International.
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