Stellen Sie sich vor, Sie planen sechs Monate in einem südamerikanischen Land zu leben und Sie möchten dabei wie gewohnt mittels SMS-Nachrichten übers Handy mit Ihren Liebsten zu Hause in Kontakt bleiben. Klingt einfach - ist es aber nicht! Zumindest, wenn es Ihnen ergeht, wie mir bei meine letzten Aufenthalt in Ecuador. Hier mein Martyrium im 10 Episoden. Stellen Sie sich vor....
1. ... Sie kaufen ein paar Monate vor Ihrem Abflug ein Triband-Handy, um weltweit Empfang zu haben. Als Sie erfahren, dass Sie das besagte halbe Jahr in Ecuador verbringen werden, erkundigen Sie sich sofort bei Ihrem heimischen Mobilkommunikationsprovider (kurz: hMKP) nach Roaming-Abkommen mit Ecuador, doch diese existieren nicht. Sie werden wohl drüben eine Nummer kaufen müssen.
2. Doch ein paar Tage vor Ihrem Abflug sehen Sie im Internet, dass inzwischen ein Roaming-Abkommen abgeschlossen wurde. Die lokale Vertretung des hMKP bestätigt das Funktionieren des Roamings. Überglücklich erzählen Sie all Ihren Freunden, dass Sie ununterbrochen unter Ihrer alten Nummer erreichbar sein werden.
3. Nach einer langen Reise in Quito angekommen, schauen Sie beiläufig auf Ihr Handy: Es findet kein Netz. Nun ja, Sie gönnen ihm eine Nacht Ruhe, vielleicht hat das Arme ja auch nur einen Jet-Lag... Doch am nächsten Tag unverändert: “Kein Netz”.
4. Etwas verunsichert suchen Sie nach technischen Informationen im Internet und finden heraus, dass Ecuador wahrscheinlich als EINZIGES Land der Erde die GSM-Frequenz 850 benutzt. Und Ihr schönes Triband-Handy kann ja einiges, aber man kann es leider nicht dazu überreden, GSM 850 zu verstehen.
Aber was war denn mit den Roaming-Versprechungen? Sie rufen die internationale Hotline Ihres hMKP an und werden „aufgeklärt”: Porta (der Roaming-Partner in Ecuador) wird bald die GSM-Frequenz 900 (Standard in Europa) aufschalten. Aber wann das sein wird, das wisse man nicht, man warte schon lange - das sei eben Südamerika. Aha.
5. Nun begeben Sie sich zum Porta-Shop, wo Ihnen der Herr am Schalter alle Illusionen raubt: Porta wird NICHT GSM 900 aufschalten. Er erlaubt Ihnen, die SIM-Karte Ihres hMKP in einem der Shop-Handys zu testen. Und zu seinem Erstaunen und zu Ihrem Frohlocken funktionert es, Sie können mit Ihrer europäischen SIM testtelefonieren – und erhalten dabei auch die ersten Freundes-SMS... In Ihnen formt sich die Kaufabsicht eines lokalen Handys, weil Sie sich vorstellen, dass Sie darin abwechselnd beide Chips verwenden können - denjenigen aus Ecuador für lokale Anrufe und lokale SMS, denjenigen aus Europa für SMS nach Hause (denn mit ecuadorianischen Prepaid-Karten kann man keine SMS ins Ausland versenden).
6. In einem langwierigen Prozess (Fotokopie Ihres Passes, etc.) erstehen Sie ein sogenanntes Prepago-Amigo-Kit. Die (zweite) Verkäuferin setzt kurz den Ecuador-Chip ein, dann den europäischen, und Sie genießen die Verblüffung der Dame, als der Testanruf mit dem hMKP-Chip gelingt. Beschwingt gehen Sie nach Hause! ”I am connected to the world again!!!!!!!”
7. Zu Hause lesen Sie eifrig die Gebrauchsanweisung und probieren den Ecuador-Chip aus. Wie bitte? Meldung: „Bloqueado - Netzcode eingeben”. Sie probieren sämtliche Codes in den Unterlagen aus - vergeblich...
8. Am nächsten Tag wieder zum Porta-Shop, dort sind Sie schon fast alte Bekannte... Der Verkäufer vom Vortag probiert herum, aber das Handy lässt sich nur mit dem europäischen Chip zu irgendeiner Netzverbindung bewegen. Der Ecuador-Chip ist und bleibt irgendwie blockiert. Na toll. Sie werden in den ersten Stock zum Servicio Tecnico geschickt. Dort herrscht Ratlosigkeit, ist es eine Chip-Sperre oder eine des Handys...? Auf jeden Fall dürfen Sie sich vom Handy verabschieden. Der Servicio Tecnico wird den Deblockiercode per E-Mail beim Handy-Hersteller in Deutschland erfragen. In etwa eine Woche wird es gehen, meinen sie.
9. Nach 10 Tagen gehen Sie vorbei, aber man ist genau so weit wie bei Abgabe des Handys. Später fragen Sie mehrmals telefonisch nach, doch der Hersteller reagiere nicht auf die Anfrage, heißt es. Sie möchten mittels E-Mail beim Hersteller auf Deutsch Druck machen, doch das dafür nötige Referenzmail wird Ihnen vom Servicio Tecnico trotz zweimaligem Bittens nie weitergeleitet. Eine andere Lösung als Warten gibt es nicht, denn anscheinend gestattet der Hersteller es den Händlern nicht, Deblockierungssoftware oder –geräte zu benützen, unter Androhung des Lizenzentzugs...
10. Nach 5 Telefonaten kramt der Servicio Tecnico langsam seine Kundenorientierung hervor, indem er einen Gerätetausch in Aussicht stellt. Nur – es gibt keine gleichen Modelle mehr auf Lager, und man warte auf die neue Lieferung...
11. 10 Tage später sind die neuen Handys immer noch nicht da. Kurz darauf verlieren Sie die Geduld, stampfen erneut zum Porta-Shop, wild entschlossen, ab heute mobil zu telefonieren! Sie wollen denen die Hölle heiß machen, auf ein Austauschhandy irgendwelcher Art bestehen, oder das Geld zurückbekommen (es gibt ja noch den großen Konkurrenten Bellsouth).
Doch das Glück ist Ihnen hold: Am Vortag sind die langersehnten Handys angekommen, und man ist nun ohne Zögern bereit, den Tausch vorzunehmen. Da mittlerweile 5 Wochen seit Erstehen des Handys vergangen sind und die vielen Gratis-Angebote (wie z.B. 300 Gratis-SMS) nur bis 6 Wochen nach Kauf gelten, bestehen Sie darauf, einen neuen Chip mit neuer Nummer zu erhalten (Sie haben wohlweislich die Nummer noch niemandem kommuniziert). Nach einer Stunde Wartezeit halten Sie nun endlich ein neues Handy mit neuem Chip in den Händen, der Testanruf mit ecuadorianischem Chip funktioniert. Wahrscheinlich wird nun der hMKP-Chip blockieren, aber Sie haben sich schon entschieden, den Chip nie mehr auszuwechseln - das haben Sie aus der ganzen Sache bisher gelernt...
Schon fast in der Tür, fällt Ihnen ein, dass Sie ja noch Ihre neue Nummer kennen müssen. Die Verkäuferin, die sich schon dem nächsten Kunden zugewendet hat, meint knapp: „Dieselbe wie zuvor.” Sie schnappen nach Luft, aber weil Ihre Geduld am Ende ist, geben Sie sich damit zufrieden.
Im Bus fällt Ihnen siedendheiß ein: „Was, wenn Porta nun meinen alten Chip mit meiner Nummer weitergibt?” Ein Telefonanruf beim Servicio Tecnico beruhigt Sie oberflächlich: Der Chip werde unbrauchbar gemacht.
12. Am selben Tag nehmen Sie Ihr Handy in Betrieb, machen ein paar kurze lokale Telefonate, im Wert von ca. 5 USD. Ein paar Stunden später wollen Sie einen weiteren Anruf tätigen – aber das Guthaben von USD 10 ist aufgebraucht!! Ihr Misstrauen wächst: Wer telefoniert sonst noch mit Ihrer Nummer? Sie beschließen abzuwarten, geben die Nummer noch niemandem weiter und aktivieren ein neues Guthaben fuer USD 10.
13. Am nächsten Tag läutet das Handy. Sie freuen sich: Jemand denkt an Sie! – nur... bisher kennt fast niemand Ihre Nummer!? Der Anrufer, ein gewisser Omar, sucht einen gewissen Lorenzo. Sie fragen genau nach – er hat sich nicht verwählt... Omar erzählt, dass er seine (= Ihre) Nummer einem Freund verkauft hat, als sein Handy lange Zeit beim Servicio Tecnico war - weil er einmal einen brasilianischen Chip eingesetzt hatte...
...Stand heute: Das USD 10-Guthaben ist - trotz weiterer Anrufer, die nach Lorenzo verlangten - (bisher) nicht mehr auf mysterioese Art und Weise verbraucht worden, von daher scheint nun Ende gut – alles gut. Es lebe das E-Mail!!! ; )
Rita Strasser - Quito, Ecuador