September ist ein besonderer Monat in Chile. Am 18. feiert das Land die Unabhängigkeit, obwohl es historisch gesehen gar nicht so einfach ist den genauen Zeitpunkt der Independencia, der Unabhängigkeit, zu bestimmen. Tatsache ist, dass am 18. September 1810 die erste Junta de Gobierno, eine unabhängige Regierung, berufen wurde und damit die Befreiung Chiles langsam begann, welche erst 1826 mit der Befreiung der Insel Chiloe die endgültige Unabhängigkeit brachte.
Einige Tage vor dem eigentlichen Feiertag (der meistens günstig ein verlängertes Wochenende bewirkt) beginnt die Stimmung festlich zu werden. Ein Monat vorher schon werben alle möglichen Kaufhäuser aber auch Supermärkte mit den besten Angeboten für das Event des Jahres. Jeder überlegt, wo und wie er diesen Tag erleben will.
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Ich bin halb-halb, eine typische chilenische Geschichte: mein Vater ging nach Deutschland ins Exil, meine deutsche Mutter verfiel dem Latino ;) – und aus meiner Sicht gibt es nur zwei Arten, wie man diesen Tag beschreiben kann:
Zum einem ist das der Tag, an dem ganz Chile feiern kann, nach Weihnachten oft das einzige Mal, dass Familien sich treffen können. Die Meisten haben endlich wieder etwas Zeit und Geld, den langen Weg nach Hause zu machen, Studenten zu den Eltern, Arbeiter zu Frau und Kind.
Gleichzeitig ist dieser Tag dem blinden Patriotismus verfallen und mit ihm das ganze Land. Kaufhäuser und Supermärkte haben Preise wie sonst nur am Sommer- oder Winterschlussverkauf zu finden, das Angebot an Glücksspielen und entsprechenden Gewinnen verdoppelt sich, Vegetarier werden zu Fleischessern. Des Weiteren kosten Medikamente fast die Hälfte des normalen, man trinkt Wein statt Pisco, isst nur Empanadas und trifft sich am Grill zum "Asado", jedes Kind lässt Drachen steigen und jeder Erwachsene tanzt Queca oder begibt sich zum Rodeo! Erst heute lernte ich, dass es auch schon fast überall so ist, dass Angestellte einen 18.-September-Bonus erhalten, ähnlich wie an Weihnachten, denn alle sollen mitfeiern können!
Das Beste allerdings finde ich ist, dass die Chilenen genau und auch nur an diesem Tag bereit sind, auf ihre Wurzeln stolz zu sein und diese nicht zu Diskriminieren, denn man erinnert sich stolz daran, dass es ja die Mapuche waren, die den Spaniern 200 Jahre lang Widerstand leisten konnten! Es kann sich also wirklich jeder guten Gewissens betrinken!
Gestehen muss ich euch, dass ich den letzen 18. September in Chile im Jahre 1986 erlebt habe, danach lebte ich im Schwabenländle. Seit drei Jahren bin ich wieder in Chile und war seither immer an diesem Tag am falschen Ort. Auch dieses Jahr werde ich außer Landes sein – was jedoch nicht heißt, dass ich euch auf unseren Touren meine Begeisterung für dieses Land und seinen Menschen nicht weitergeben kann – ich bin doch eine richtige Chilenin und das jeden Tag ;)
P.S: "La Pampilla"
Bei Coquimbo, einer Stadt im Norden Chiles, wird statt des 18. der 20. September gefeiert. Man erzählt, dass die Nachricht über den Unabhängigkeitsversuch in Santiago Coquimbo aufgrund der Entfernung erst zwei Tage später erreichte! Im Süden der Stadt, in der sogenannten "Pampilla" feiern tausende den 20. September, einen defacto-Feiertag...