Für unsere Kampagne #viventurameets treffe ich mich mit einem Vertreter von terre des hommes Schweiz. Juan Carlos arbeitet für die Partnerorganisation CEADL (Centro de Estudios y Apoyo al Desarrollo Local), die sich für Menschenrechte in Bolivien einsetzt. Obwohl in den letzten Jahren einige Fortschritte erzielt wurden, gehört Bolivien nach wie vor zu den ärmsten Ländern Lateinamerikas. Das spürt man vor allem in El Alto, wo ich mit Juan Carlos hinfahre. Wir treffen uns mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die von ihrem Alltag und ihren Aktionen für Menschenrechte in Bolivien erzählen. Hier erwarten uns spannende Geschichten, beispielsweise wie eine junge Aktivistin für ihr Recht auf eine gesunde Umwelt kämpft und dazu sogar dem Präsidenten ins Wort fällt.
Menschenrechte in Bolivien - El Alto, eine Herausforderung
El Alto, ursprünglich ein Stadtteil von La Paz, ist durch die anhaltende Zuwanderung vom Land derart rasant gewachsen, dass es heute knapp 1,2 Millionen Einwohner zählt. Auf einer Höhe von 4.100 m bleibt einem da schon mal die Luft weg - im wahren und übertragenen Sinn. Durch das expansionsartige Wachstum mangelt es in El Alto an Städteplanung und Infrastruktur. Das Zentrum liegt im Talkessel "La Ceja", wo sich zahlreiche Läden und Straßenmärkte befinden. Es wird wild gebaut, doch viele Straßen und Häuser bleiben Schotterpisten und Bauruinen. Zahlreiche Menschen haben kein Zugang zu Strom, zu fließendem Wasser oder zum Abwassersystem. Müllberge säumen die Straßenränder. Das Verkehrssystem und die Luftverschmutzung sind außer Kontrolle geraten.
El Alto gehört zu den ärmsten Städten der Welt. Viele Eltern können ihre Familien nicht ausreichend ernähren und schicken ihre Kinder zusätzlich zum Arbeiten. Auf dem Weg zum CEADL Büro bahnen wir uns den Weg durch das Wirrwarr der Stadt. "Warst du schon mal in so einer chaotischen Stadt, die dermaßen außer Kontrolle geraten ist?", fragt mich Juan Carlos mit einem Zwinkern. Ich lache und sage: "Nein, war ich noch nicht!". El Alto ist demographisch gesehen die jüngste Stadt Boliviens. Fast 80 % der Bevölkerung sind jünger als 25 Jahre. Juan Carlos erzählt mir, dass sich das CEADL Büro in El Alto der Jugendarbeit in El Alto gewidmet hat. Hier treffen sich verschiedene Jugendgruppen, um sich über ihre Erfahrungen und ihre Arbeit in den Themen Menschen- und Kinderrechte in El Alto auszutauschen.
Menschenrechte in Bolivien - Die jungen Erwachsenen von El Alto
Das CEADL Büro liegt im 4. und letzten Stock eines Bürogebäudes in einer ruhigen Seitenstraße. Dort angekommen, werde ich von vielen neuen und strahlenden Gesichtern begrüßt. Wir setzen uns an den großen Konferenztisch und beginnen mit einer Vorstellungsrunde. Wir sind eine große Runde. Bestimmt 20 junge Leute sitzen mir gegenüber. Ich schätze ihr Alter auf etwa 14 bis Mitte 20. Sie berichten über ihr Engagement in ihrer Stadt: Kinderrechte, Frauenrechte, Rechte von Schwulen und Lesben - dafür brennen sie.
Gonzalo, der Präsident der Organisation, spricht über CEADL. Das Kollektiv von mehreren jungen Menschen, Jugendgruppen und Fachleuten beschäftigt sich mit den Themen Menschenrechte in Bolivien und Soziale Entwicklung in El Alto. Sie wollen dazu beitragen, dass die Demokratie gestärkt wird und junge Menschen mehr an politischen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Gonzalo erzählt weiter, dass El Alto mittlerweile zu einem erfolgreichen Handelsmittelpunkt des Landes herangewachsen ist. Aber nicht alle Bewohner bekommen etwas vom Kuchen ab und die Stadtregierung hat alle Hände voll zu tun. Die Einhaltung und Förderung der Menschenrechte steht da scheinbar nicht an oberster Stelle.
Menschenrechte in Bolivien - Fragen und Antworten
Nun möchte ich wissen, was die jungen CEADLer so beschäftigt und welche Wünsche sie haben. Einer nach dem anderen erzählt mir von seinen persönlichen Erfahrungen. Viele beschweren sich, dass sie als junge Staatsbürger von der Gesellschaft nicht wahrgenommen werden. In den Schulen wird gelernt, was der Lehrer sagt. Ihnen wird nicht beigebracht, eine eigne Meinung zu haben oder Dinge kritisch zu hinterfragen.
CEADL arbeiten zurzeit an einem Gesetzentwurf für die Bürgerrechte der Jugendlichen von El Alto "Ley Municipal de Juventudes de El Alto". Die Regierung unterstützt sie dabei nicht wirklich. "Sie ändern immer wieder ihre Meinung. Heute finden sie die Idee für die Grundrechte von Jugendlichen gut, morgen wollen sie noch nie etwas davon gehört haben", erzählt mir einer der Jugendlichen.
Ich erfahre, dass sie Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen erhalten. Doch diese laufen oft unter der Bedingung, die politische oder religiöse Weltanschauung der NGO zu vertreten. Und schon wieder werden den jungen Leuten fremde Meinungen aufgedrängt.
Wir reden weiter über die Probleme der jungen Menschen in El Alto. Schwierig sei, dass so viele Jugendliche keine Perspektiven haben und in Straßengangs enden. Ihr Alltag ist geprägt durch Gewalt, Diskriminierung, Alkohol, Drogen und Arbeitslosigkeit. Mädchen sind bereits mit 13 schwanger. Ich frage sie, ob viele Kinder auf der Straße leben. "Oh ja," sagen sie, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.
Meine letzte Frage: "Wie sehen eure persönlichen Träume aus und wie stellt ihr euch El Alto in der Zukunft vor?" Ein Mädchen meldet sich und sagt, dass sich die Stadt ja bereits schon zum Positiven gewandelt habe. Viele Leute, die vom Land kamen, konnten hier erfolgreich ihr eigenes Geschäft aufbauen. Doch für die Kinder müsse mehr getan werden. Deshalb wollen sie einen sicheren Ort für sie schaffen, ein Zentrum für Kultur und Bildung!
Menschenrechte in Bolivien - Hier findet echter Austausch statt
Bevor ich mich verabschiede, haben die jungen CEADL Aktivisten noch die Gelegenheit mir Fragen zu stellen. Jetzt sprudelt es aus ihnen heraus. Sie wollen wissen, wie es in Deutschland mit den Menschenrechten ist, wie es mit Schwulen und Lesben, Frauenrechten und der Armut steht. Wir reden über Politik und Umweltverschmutzung. Sie fragen mich nach Tipps, wie sie im Alltag umweltbewusster leben können. Ich sage ihnen sie sollen weitermachen wie bisher: Druck auf die Regierung ausüben bis sie zuhört und evtl. Mülltrennung, Fahrradwege und Umweltzonen in den Städten einrichtet.
Mit Carla fahre ich gemeinsam zurück nach La Paz. Sie erzählt mir, dass sie sich für Umweltrechte einsetzt. Bei einer großen Konferenz, bei der es um den Abbau von natürlichen Ressourcen durch ausländische Firmen ging, meldete sie sich zu Wort. Sie fiel dem Präsidenten Evo Morales höchstpersönlich ins Wort und sagte ihm ihre Meinung. Später wurde sogar in einem Newsartikel über sie berichtet.
Für mich war das Treffen mit den Jugendlichen von CEADL sehr beeindruckend und ein echtes Highlight während meiner Reise durch Bolivien. Dies war mein vorerst letzter Beitrag über soziale Projekte in Bolivien und ich möchte mich ganz herzlich bei unseren Partnerorganisationen für die Unterstützung bedanken. Es war eine echte Bereicherung, mich mit den jungen Menschen in Bolivien auszutauschen. Ihnen gehört die Zukunft und ich wünsche ihnen, dass sie das Beste daraus machen. Hier geht's zu unserem 360° Bild!
Wollt ihr wissen, wen wir im Rahmen unserer #viventurameets Story noch getroffen haben? Klickt euch durch das WWF Projekt in La Paz und seht, was die Kinder dort über das Thema Wasser lernen!