Salvador da Bahía: drittgrößte Stadt Brasiliens, Schmelztiegel der Kulturen und bis heute stark afrikanisch geprägtes Freilichtmuseum der afro-brasilianischen Geschichte. Im Nordosten Brasiliens gelegen, war Salvador einst florierendes Zentrum des Zuckerhandels – und leider auch des Sklavenhandels. Die aus Afrika übers Meer verschleppten Menschen brachten jedoch nicht nur ihre Arbeitskraft mit, sondern ihre eigene, reiche Kultur, die bis heute die Identität und das einzigartige Gesicht Salvadors prägt.
Aus Wildnis wird Weltstadt
Vor ungefähr 500 Jahren gab es dort, wo heute der berühmte Leuchtturm Barra steht, noch keine Stadt, sondern fast unberührten Dschungel und indigene Völker. Über sie ist heute leider nicht viel bekannt, aber die ersten portugiesischen Seefahrer betrieben Handel mit ihnen und etablierten einen kleinen Küstenort, aus dem später Salvador werden sollte.
Gehandelt wurde vor allem mit Zucker, denn die Gegend eignete sich hervorragend für den Anbau von Zuckerrohr. Da war nur ein Problem: Auf den Plantagen gab es bald mehr Arbeit, als Hände da waren – weshalb bereits im 16. Jahrhundert damit begonnen wurde, aus afrikanischen Ländern wie Angola und Benin Menschen zu verschleppen und als Sklaven nach Salvador zu bringen.
Die indigenen Stämme der Gegend wurden vor diesem Schicksal bewahrt, da die einflussreichen Jesuiten sie in Schutz nahmen. Wäre das nicht passiert, würde Salvador heute ganz anders aussehen!
Der lange Kampf gegen Sklaverei und für Gerechtigkeit
Nach der offiziellen Gründung der Stadt im Jahr 1549 gewann sie wirtschaftlich so an Stärke, dass sie zeitweise sogar die größte Stadt der südlichen Erdhalbkugel war – etwas weniger als die Hälfte davon Sklaven. Wie man sich denken kann, lief jedoch längst nicht alles immer rund: Es gab mehrere Aufstände der schwarzen Sklaven und immer lauter wurden Forderungen nach Unabhängigkeit von der portugiesischen Krone. Nachdem der Regierungssitz im Jahr 1763 von Salvador nach Rio de Janeiro verlegt wurde, ging es den Bewohnern der Stadt sehr schlecht, und es gab Prozesse, Verschwörungen, öffentliche Hinrichtungen und Stürme auf das Rathaus.
Es war ein langer, gefährlicher Kampf, der es jedoch Wert war: Ab 1831 war der Import von Sklaven verboten und 1888 wurde die Sklaverei komplett abgeschafft.
Bis zu diesem Zeitpunkt sollen jedoch mehr als eine Million Afrikaner nach Salvador verschleppt worden sein. Ihre Sprachen, ihr Essen, ihre Religionen, ihre Musik und vieles mehr verschmolz mit den Gepflogenheiten vor Ort zu einem einzigartigen kulturellen Mix, der Salvador bis heute zu einer Stadt macht, die mit keiner anderen auf der Welt vergleichbar ist. Was genau sind die Elemente, die das afro-brasilianische Erbe Salvadors ausmachen?
Capoeira: Tanz-Kampf mit Geschichte
Von Capoeira hast Du vielleicht schon gehört, aber hast Du gewusst, dass sie ihren Ursprung in Salvador hat?
Die faszinierende Sportart lässt sich kaum in eine Kategorie stecken: als Mischung aus Kampfkunst, Tanz und Akrobatik ist sie ein ungewöhnliches, einzigartiges Gemisch, das von den afrikanischen Sklaven in Salvador als eine Form des Widerstands entwickelt wurde. Man kann sich vorstellen, dass es den Sklaven nicht erlaubt war, für kämpferische Auseinandersetzungen zu trainieren. Die Lösung: sie vermischten ihre aus Afrika mitgebrachten Tänze mit Kampfspielen und Straßenkampftechniken und spielten dabei Musik, um das Training nicht offensichtlich zu machen.
Bis heute ist die Musik untrennbar mit der Sportart verbunden: Die Roda, der Kreis, den Capoeiristas beim Spiel formen, besteht immer sowohl aus Kämpfern als auch aus Musikern. Während in der Mitte des Kreises ein Zweikampf stattfindet, werden traditionelle Instrumente wie ein Berimbau, Atabaque und Pandeiro gespielt und manchmal auch gesungen. Die Lieder selbst sollen zum Teil noch aus der Zeit der Sklaverei stammen.
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Der Pelourinho: bunte Altstadt und UNESCO-Weltkulturerbe
Kaum ein Ort in Salvador symbolisiert die wilde, blutige Geschichte der Stadt so sehr wie der Pelourinho: der Pranger. Auf diesem Platz, der in der historischen Altstadt liegt, wurden in der Vergangenheit Sklaven ge- und verkauft, Einwohner ausgepeitscht, angebunden und zur Schau gestellt – die meisten davon Sklaven, aber auch Diebe. Obwohl der Ort bis heute ein Denkmal der schmerzhaften Geschichte der Vorväter ist, sieht der Pelourinho dieser Tage friedlich und fotogen aus. Bunte Kolonialbauten umgeben den Platz in der Altstadt Salvadors, die seit 1985 UNESCO-Weltkulturerbe ist.
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So versteht man sich: der Baiano-Dialekt
Selbstverständlich brachten die Afrikaner auch ihre eigenen Sprachen mit, die sich mit der Zeit mit Portugiesisch vermischten und den heute in Salvador gesprochenen Dialekt – Baiano – maßgeblich beeinflussten. Der Dialekt zeichnet sich durch einen musikalischen, langsamen Sprechrhythmus aus und hat viele bildhafte Redewendungen und eigenes Vokabular. „Typisch Salvadorianisch“ ist es zum Beispiel, „E massa!“ zu sagen, wenn man etwas toll findet, oder am Satzende „...visse?“ hinzuzufügen, so wie man im Deutschen „nicht wahr?“ sagen würde. Viele der sprachlichen Einflüsse sollen vor allem auf die afrikanischen Sprachen Yoruba und Kikongo zurückzuführen sein. Das Yoruba-Wort „axé“ bedeutet so viel wie „Kraft“ und wird im Baiano-Dialekt oft verwendet, um jemandem geistige Kraft zu wünschen.
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Götter und Heilige: Candomblé
Aus den reichen, diversen Kulturen Afrikas, die mit dem Sklavenhandel nach Salvador kamen, entwickelte sich eine neue Religion namens Candomblé: ein Synkretismus aus Katholizismus und den mitgebrachten afrikanischen Religionen. Er entstand durch den Versuch der Sklaven, ihre eignen spirituellen Praktiken aufrechtzuerhalten, während ihnen gleichzeitig der Katholizismus aufgezwungen wurde.
Über ein Dutzend afrikanische Gottheiten werden gemeinsam mit katholischen Heiligen verehrt. Diese Gottheiten werden als Orixá bezeichnet und jeder werden eigene Charakteristiken und Symbole zugeschrieben; zum Beispiel hat jeder Heilige eine eigene Art von Tanz, einen Wochentag, Speisen, Farben, Tiere und sogar Sternzeichen. Es wird daran geglaubt, dass jeder Mensch eine besondere Verbindung zu ein oder zwei Orixá hat, die ihn ein Leben lang begleiten und beschützen.
Besonders ins Auge fallen die farbenprächtigen, opulenten Kostüme, die bunten Bänder überall und die groß angelegten rituellen Feste, die mit viel Gesang, Percussion und Tanz gefeiert werden. Auch Statuen und Bildnisse der verschiedenen Orixá sind beliebt und überall in Salvador zu sehen.
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Tanz und Musik: Samba, Axé und Maculelê
Auch musikalisch verschmolzen afrikanische und einheimische Rhythmen und formten typische Musikstile, die in Salvador heimisch sind: Samba und Axé sind allgegenwärtig auf Straßen, in Bars und ganz besonders beim Karneval. Diese lebhafte, ausgelassene Festlichkeit ist jedes Jahr ein kultureller Höhepunkt – und wo Musik gemacht wird, da wird natürlich auch getanzt!
Samba ist sogar der Nationaltanz Brasiliens geworden und bringt mit seinen mitreißenden afrikanisch-inspirierten Rhythmen alle Füße in Bewegung. Samba de Roda, eine Form des Tanzes, die wie Capoeira in einem Kreis getanzt wird, soll direkt von den Sklaven der Zuckerplantagen überliefert worden sein, die nach harter Arbeit ihr afrikanisches Kulturerbe am Leben erhielten.
Auch Maculelê ist ein afrobrasilianischer Tanz mit Geschichte: Ähnlich wie bei Capoeira vermischt sich Tanz und Musik mit einer Art spielerischen Kampf, bei dem sich zwei Kämpfer mit Stöcken innerhalb eines Kreises duellieren. So soll das Ende der Zuckerrohrernte von den Sklaven gefeiert worden sein.
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Salvador hat auch Geschmack: afro-brasilianische Küche
Wenn Du nach Salvador gehst, wirst Du bald merken, dass an fast jeder Straßenecke ein Snack namens Acarajé angeboten wird: frittierte Bällchen aus Augenbohnenmus, die oftmals mit würzigen Dingen wie Tomatensalat oder Garnelen gefüllt werden. Dieses Essen ist so berühmt, dass Dein Trip nach Salvador unbedingt eine Geschmacksprobe beinhalten muss!
Der Klassiker fürs Richtig-Sattwerden ist hingegen Moqueca, ein Eintopf aus Kokosmilch, Palmöl, Fisch und vielen Gewürzen, darunter der einheimische grüne Koriander und Pfeffer.
Die afrikanischen Einflüsse in der lokalen Küche Salvadors finden sich auch in Gerichten wie Vatapá und Caruru wieder. Wer auch kulinarisch neugierig ist, der sollte diese geschmacklichen Aushängeschilder der Salvadorianischen Kultur unbedingt probieren.
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Salvador de Bahía ist ein Traum-Reiseziel für alle, die sich nicht nur für fremde Kulturen, sondern auch für den Alltag der Menschen vor Ort und ihre Geschichte interessieren, die ihre einzigartigen Traditionen Tag für Tag leben. Wenn Du eine Entdeckerreise durch das riesige Land Brasilien machst, um tief in Natur und Kultur einzutauchen, solltest Du einen Stop in Salvador fest einplanen.
Besonders dann, wenn Du auf Deiner Reise Brasiliens diversen Kulturwundern näherkommen willst, solltest Du ernsthaft darüber nachdenken, Deinen Trip ein bisschen zu verlängern und Dir auch Salvador da Bahía anzusehen – eine Stadt, die weltweit ihresgleichen sucht.